Ich bin kein Sommermensch – wirklich nicht. Ich wäre es gerne, aber psychisch und körperlich ist es mir leider nicht oder nicht mehr möglich. Körperlich ist es kurz und bündig erklärt: Ich habe einen sehr sensiblen Magen und vertrage Wärme und Hitze nicht sonderlich gut.
Und psychisch… hmm.
Heute, auf den Tag genau, ist es elf Jahre her. Gleichzeitig war es der Beginn eines bösen Kreislaufs voller Auf und Ab. Irgendwie hat sich alles in den letzten Jahren immer wieder wiederholt. Statt darüber nachzudenken, wo der Ursprung liegt, habe ich irgendwann aufgehört, Fragen zu stellen – und es einfach als „August“ abgestempelt.
August…
Elf Jahre…
… schwierig.
Wie gesagt: Vor elf Jahren, auf den Tag genau, durfte ich – oder musste ich viel mehr – eine Erfahrung machen, auf die ich nach wie vor gern verzichtet hätte. Ich hatte einen schweren Autounfall. Der hat nicht nur eine große Narbe im Gesicht und zahlreiche kleine am Körper hinterlassen – sondern auch im Herzen.
Eine gestörte Kindheit hat es mir ohnehin schwer gemacht. Ich habe mich oft abgekapselt und abgegrenzt gefühlt, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre. Im Gegenteil: Viele Menschen wollten mit mir befreundet sein, Teil meines Lebens werden. Sie wollten, dass ich teilhabe – aber ich ließ nach außen keine Gefühle mehr zu, verschloss mich komplett. Ich gab mich anders, als ich wirklich war, weil ich nie geglaubt habe, dass mich jemand so akzeptieren könnte, wie ich bin.
Schon vor dem Autounfall hatte ich die Lebenslust verloren.
Ich hatte schwer mit mir zu kämpfen – 16 Jahre alt, fett, ungepflegt, unansehnlich. Noch nie eine Freundin gehabt, geschweige denn Sex. Und dann auch noch die Narbe… Irgendwann kam der Punkt, an dem ich nichts mehr fühlte. Mir war alles egal. Vielleicht war das eine Schutzreaktion – wie beim Unfall selbst. Auch da habe ich eigentlich nichts gespürt, abgesehen von unheimlichen Schmerzen im rechten Daumen.
Wenn ich sie mir heute anschaue – die Narbe – denke ich manchmal an den Tag zurück. Trotzdem versuche ich, es schnell wieder zu vergessen.
Nach ein paar Stunden bin ich damals wieder nach Hause gegangen. Ich sah meine Mutter mit Tränen in den Augen und die Polizei am Telefon.
„Ich war nur spazieren“, habe ich gesagt. Gemeint war: „Ich bin am Ende und brauche Hilfe.“ Aber das wurde totgeschwiegen. Nie wieder drüber geredet. Kurz danach: August. Lehre hingeschmissen. Aufgegeben.
Ein paar Wochen später habe ich meine erste Freundin kennengelernt. Inzwischen war ich 19. Auch sie kam aus schwierigen Verhältnissen – das hat einen Helferinstinkt in mir geweckt. Wir sind irgendwie zusammengekommen. Je näher sie mir kam, desto mehr spürte ich: Sie will für mich da sein. Ich habe abgeblockt, mich hinterm Rechner versteckt, mich in virtuelle Welten geflüchtet.
Ein Jahr später… wieder August. Inzwischen bei der Bundeswehr. Zum ersten Mal gespürt, wie sich echte Sehnsucht anfühlt. Viele Tränen. Schwere Zeit.
Knapp ein weiteres Jahr hat sie es mit mir ausgehalten. Trennung, Versöhnung, Trennung – ohne Erfolg.
Der nächste August rückte näher.
Es folgte die endgültige Trennung. Schluss. Aus. Vorbei. Wieder ein Tiefpunkt zur Sommerzeit – der auch zur Trennung beigetragen hat.
Ich bin wieder in alte Muster verfallen. Ich habe vieles überspielt und mich in Arbeit gestürzt – in einer hiesigen Diskothek. Es war falsches Lachen, tägliche Lügen – und Fakeeric war nahezu perfekt darin.
Hier und da ein One-Night-Stand – keine Namen, keine Gefühle… nur Sex. Punkt.
Fakeeric… was für ein Scheißkerl.
Es gibt Frauen, die stehen auf Scheißkerle. So hat sich auch eine in mich verliebt. Was hätte ich tun sollen? Ich hatte keine Ahnung. Wir haben’s versucht. Ich brauchte Ablenkung. Doch wie kaputt sie war, war mir am Ende auch egal.
Ich habe mich nur noch mit Menschen umgeben, die – gelinde gesagt – minderwertig waren. Hauptsache, ich selbst stand besser da und fühlte mich wenigstens ein bisschen okay. Aber das hielt nicht lange.
Der Sommer kam erneut. Die Beziehung ging klanglos zu Ende – keiner von uns hatte sich richtig reingehängt. Dann meldete sie sich plötzlich wieder. Sie wollte ein paar Tage mit mir verbringen. Einfach so.
Wir hatten ein schönes Wochenende – dachte ich. Später wurde mir zugetragen, ich hätte sie in dieser Zeit vergewaltigt. Gut, dass ich davon nichts wusste. Bevor ich das erfahren habe, dachte ich, zwischen uns wäre wieder alles gut. Ich fragte sie, ob sie mit mir und meinem besten Freund nach Paris fahren möchte – weil er öfter Kleintransporter fährt, und ihre Ausbildungsstätte lag auf dem Weg.
Normal hätte ich sie nicht gefragt. Aber mein Kumpel redete auf mich ein: „Ach komm, ihr hattet doch ein schönes Wochenende, vielleicht wird’s ja was.“ Alles Teil eines größeren Plans.
Paris
Paris mit ihr und ihm… Chaos. Offensichtlicher ging’s nicht mehr. Natürlich habe ich beide gefragt, ob da was läuft. Schließlich war mir die Freundschaft zu ihm wichtig.
„Ach was Eric, nein Eric, niemals Eric…“ Jaja…
Keine zwei Stunden nach unserer Rückkehr nach Deutschland ist sie zu ihm gerannt. Ich wollte nicht glauben, was beide sagten. Also bin ich ihr später nachgegangen – und um es abzukürzen: Da lagen sie. Zusammen im Bett.
Danke, du Bastard. Du Stück Scheiße. Hast den Grundstein dafür gelegt, dass ich keinem Mann mehr vertraue. Du Hurensohn hast es geschafft, mich auch da zu zerstören. Stück Scheiße… pff.
Ach übrigens… es war wieder August.
Verfickte Scheiße. Nicht nur, dass er mich betrogen hat – er hat auch seine damalige Freundin betrogen. Tzz. Die hat mir dann noch erzählt, wie er es Tag für Tag genossen hat, mich zu verarschen… auf bester Freund zu machen… und tralalala.
Bastard.
Ich könnte noch ewig weitermachen:
Job verloren – wie sollte es anders sein – im August.
Die Freundin verloren? Auch im August.
Und es hört nicht auf… jedes Jahr dieselbe Leier.
Immer August. Jedes Mal Scheiße. Immer dieselbe Gülle…
Ich hab einfach keinen Bock mehr drauf… Ich muss mich ändern. Die Kette durchbrechen. In meinem Leben aufräumen – denn es ist wieder August, ich bin wieder am Ende… und zwei Stunden stehen noch auf der Uhr…
… wir werden sehen, was mir der August diesmal bringt – oder gebracht hat.
Weitere Gedanken zu diesem Thema findest du auch in „Hassmonat August – 6 Jahre später“.
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