Seit einigen Wochen arbeitet eine neue Kollegin bei uns. Sie hat früher anscheinend bereits bei der Post gearbeitet, dann eine andere Tätigkeit ausgeübt und ist nun zurückgekehrt. Ich unterhalte mich gern mit ihr, meistens nachmittags, wenn ich schon eine Weile auf dem Postamt bin und sie hereinkommt.
Heute Morgen schaute sie mich an und stellte mir eine Frage: „Eric, kannst du seit ein paar Tagen schlechte Laune haben?“ – „Ja, habe in den letzten sechs Monaten drei Beziehungen beendet“, erwiderte ich. Eine andere Kollegin kam hinzu und sagte: „Du, Eric ist ziemlich sensibel…“ – „Harte Schale, aber ein ganz weicher Kern“, ergänzte eine dritte. Ich musste lächeln, denn sie hatten recht.
Sensibel – sie sagte es so ruhig, als wäre es nichts Schlimmes. Sie stellte es einfach fest, und es fühlte sich gar nicht schlecht an. Ich war froh, dass es offensichtlich jemand bemerkt hatte und darin nichts Negatives sah. Ja, ich bin sensibel. In der Vergangenheit wurde das eher ins Lächerliche gezogen: „Sensibelchen, Weichei“ usw. Heute war es tatsächlich das erste Mal, dass es sich nicht schlecht anfühlte.
Ich meine, ich bin ein 1,91 m großer und 107 kg schwerer Typ mit Vollbart und einer Narbe im Gesicht. Niemand würde auf den ersten Blick denken, dass ich sensibel bin. Aber es ist wichtig, dass ich so bin, wie ich bin. Genau deshalb bin ich nach Bayern gegangen – um mich nicht mehr zu verstecken oder mir dumme Sprüche anhören zu müssen.
Ja, ich bin sensibel, sehr sogar – auch wenn ich es nicht nach außen trage. Und vielleicht ist genau das nichts Schwaches, sondern etwas, das mich ausmacht.