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Aus der Dunkelheit ins Licht: Gedankenwandel seit 2013

Erst Karte, dann Geld. Wie schwer kann das bitte sein?

Es gibt Dinge im Leben, die sind wirklich nicht kompliziert. Zum Beispiel: Geld am Automaten holen. Seit Jahren sitze ich jetzt in meinem Nebenjob in der Hotline und höre denselben Quatsch immer und immer wieder – so oft, dass ich mittlerweile ernsthaft an der allgemeinen Aufmerksamkeitsspanne zweifle.

Als ich damals angefangen habe und die ersten Gespräche von außen mitgehört habe, dachte ich noch: Das kann nicht ernst gemeint sein. Das ist doch ein Witz. Heute weiß ich: Nein, das ist kein Witz. Die Leute sind einfach wirklich so unaufmerksam – oder ich nenn es beim Namen: degeneriert.

Der Prozess ist eigentlich idiotensicher

Für alle, die schon wieder vergessen haben, wie ein Geldautomat funktioniert, hier nochmal zum Mitschreiben:

  • Karte rein.
  • Geldauswahl und PIN.
  • Karte raus.
  • Geld raus.

Das war’s. Kein Raketenstart, kein Kernreaktor, kein SpaceX-Launch. Karte kommt raus, dann kommt das Geld. Immer. Und trotzdem habe ich regelmäßig Anrufer, die steif und fest behaupten, sie hätten das Geld bekommen, aber die Karte nicht.

Ja, ich weiß, das Leben ist hektisch. Man ist gestresst, genervt, hat es eilig, die Kinder schreien, der Kopf ist woanders. Alles fein. Wirklich. Fehler passieren. Aber dann ruf doch bitte nicht irgendwo an, um Hilfe zu wollen, und stell dich im gleichen Atemzug quer.

„Ich hab die Karte nicht!“ – Doch, hast du.

Der Ablauf der Gespräche ist inzwischen so vorhersehbar, dass ich eigentlich nur noch innerlich mitspreche. Es läuft immer gleich:

Person X ruft an, völlig aufgelöst: „Der Automat hat meine Karte gefressen, aber das Geld habe ich bekommen!“

Ich bleibe nett, ruhig und höflich. Ich erkläre, dass die Karte immer zuerst kommt, dass man die oft unterbewusst einsteckt und es deswegen passieren kann, dass man das gar nicht mehr aktiv mitbekommt. Und dann kommt der Teil, bei dem viele komplett aussteigen:

Ich sage: „Können Sie bitte noch einmal in Ruhe alle Taschen, das Portemonnaie und Ihre Umgebung prüfen?“

Das ist kein Angriff, keine Beleidigung, kein „Sie sind dumm“. Es ist einfach nur: Mach bitte kurz das Offensichtliche, bevor wir das Drama groß aufziehen.

Die zwei Sorten Mensch in diesen Telefonaten

Und ab da trennen sich die Wege.

Gruppe 1: Die reflektierten Menschen. Die kramen kurz, lachen, werden leise und sagen dann: „Oh Gott, Sie haben recht. Die Karte war doch in der Tasche. Tut mir leid.“ Wir lachen kurz, alle leben weiter, Fall erledigt.

Gruppe 2: Die anderen. Die, die direkt auf 180 gehen. „Was glauben Sie eigentlich, wie ich mit meiner Karte umgehe?! Ich habe sicher nachgeschaut! Ich lasse mich doch hier nicht wie einen Idioten behandeln!“

Und dann geht es los: diskutieren, schreien, beleidigen. Hauptsache, sie müssen sich nicht in die Position bringen, kurz zu akzeptieren, dass sie vielleicht doch einen Blackout hatten. Das Ironische: Genau dadurch stellen sie sich noch viel lächerlicher dar, als es ein einfaches „Oh, da ist sie ja doch“ jemals tun würde.

Männer, Frauen und der Stolz am Automaten

Was mir inzwischen aufgefallen ist: Es gibt ein Muster.

Die, die erst pampig und laut werden, sind oft Männer. Die kommen dann nach dem Taschenkramen plötzlich ganz kleinlaut zurück. Man hört das Rascheln, das Suchen, die Pause. Und dann: „Äh … ja, Karte war doch in der Jacke. Äh, sorry.“ Manchmal schwingt da richtig Scham mit. Kann ich respektieren.

Bei vielen Frauen läuft es eher so: laut, empört, null Einsicht – und wenn sie die Karte dann offenbar finden, wird einfach aufgelegt. Kein „Sorry“. Kein „Danke“. Einfach weg. Problem gelöst, Realität ausgeblendet.

Natürlich gilt das nicht für alle und nicht immer. Aber es fällt auf. Und nach Jahren Hotline-Praxis sammelt sich da einiges an Eindrücken.

Was mich wirklich fertig macht

Es ist nicht der Fehler an sich. Dass man mal vergisst, dass man die Karte schon eingesteckt hat – geschenkt. Das kann jedem passieren. Ich bin auch nicht fehlerfrei.

Was mich fertig macht, ist diese Kombination aus:

  • Hilfe wollen, aber Hilfe verweigern.
  • Unaufmerksamkeit, aber null Bereitschaft, sie zuzugeben.
  • Großes Drama, aber keine zwei Sekunden Demut.

Und das ist kein Einzelfall, das häuft sich. Die Gespräche werden ruppiger, der Ton wird respektloser, und gefühlt ist die Schwelle, andere anzubrüllen, deutlich niedriger als noch vor ein paar Jahren.

Ich passe meinen Ton übrigens regelmäßig an. Ich war schon überfreundlich, sachlich, direkt, ironisch, genervt. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Wer sich unbedingt nicht „dumm“ fühlen will, sabotiert sich selbst – und klingt am Ende genau so.

Eine kleine Bitte an alle, die irgendwo anrufen

Wenn du irgendwo anrufst, weil du Hilfe brauchst, dann hör wenigstens zu. Wirklich. Niemand in der Hotline sitzt da und denkt sich: „Wie kann ich dich heute mal besonders schlecht aussehen lassen oder verarschen?“ Wir wollen das Problem lösen und weitermachen.

Also, wirklich jetzt:

  • Erst Karte, dann Geld.
  • Wenn jemand am Telefon sagt „Bitte prüfen Sie noch einmal Ihre Taschen“, dann mach das einfach.
  • Und wenn du dabei merkst, dass der Fehler bei dir lag: Sag „Sorry“ und gut ist.

Das „verbitterte Diskutieren“, das Schreien und Weigern, nur um nicht für zwei Sekunden „dumm“ dazustehen, macht dich am Ende nur lächerlicher, als es ein ehrliches „Mein Fehler“ je könnte.

Und wenn du ganz wild sein willst: Trainier mal wieder dein Bewusstsein und deine Aufmerksamkeit. Handy kurz weglegen, nicht fünf Dinge gleichzeitig machen, einmal präsent sein bei dem, was du tust – selbst, wenn der Tag stressig ist. Vor allem, wenn es um Geld und Karten geht.

Erst Karte, dann Geld. So schwer ist das nicht.

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