Seit Tagen, Wochen, ja sogar Monaten stelle ich mir immer wieder dieselbe Frage: Wie kann ich die Kraft und den Mut aufbringen, endlich alles hinter mir zu lassen? Wie kann ich aufstehen, einen klaren Schlussstrich ziehen und bestimmt sagen: „So und so sieht es aus, und das und das halte ich von dir“? Diese Sätze gehen mir ständig durch den Kopf, doch ausgesprochen habe ich sie nie. Immer bleibt da dieses Zögern, dieses innere Stoppschild.
Objektiv betrachtet gäbe es nichts zu verlieren – außer der Illusion, dass alles irgendwie gut werden könnte, wenn ich nur lang genug schweige. Aber diese Illusion hält mich fest. Sie gaukelt mir vor, dass Schweigen einfacher sei als Klartext zu reden. Und trotzdem nagt es an mir, jede Nacht, in der ich wachliege und mich frage, warum ich so wenig den Mut finde, das Offensichtliche auszusprechen.
Bei Fremden fällt mir das erstaunlich leicht. Ich sage, was ich denke, stoße Menschen vor den Kopf, werde abgestempelt, ja, vielleicht sogar verurteilt. Aber es stört mich nicht wirklich, weil diese Menschen keinen Platz in meinem Leben haben. Anders ist es bei denen, die mir wichtig sind. Da wiegt jedes Wort doppelt schwer. Es ist, als hätte jedes Gespräch die Macht, etwas unwiderruflich zu zerstören. Und genau diese Angst hält mich davon ab, ehrlich zu sein.
Vielleicht ist es wirklich die Angst, missverstanden zu werden. Oder die Angst, dass Erwartungen nicht erfüllt werden – weder meine noch die der anderen. Und tief drinnen weiß ich, dass es genau das ist: Die Furcht, dass meine Hoffnungen sich in Luft auflösen, sobald ich sie ausspreche. Also drehe ich weiter meine Runden im Gedankenkarussell. Ich flüchte in virtuelle Welten, spiele, lenke mich ab. Für ein paar Stunden scheint das zu funktionieren. Doch sobald der Bildschirm schwarz wird, bleibt nur die Stille. Und in dieser Stille kehren die Fragen zurück – lauter als zuvor.
