Meska's Blog

Aus der Dunkelheit ins Licht: Gedankenwandel seit 2013

Wertschätzung im Berufsleben: Ein Einblick in meine Erfahrungen

Als ich mit 30 meine Bürojobs an den Nagel gehängt habe und zur Post gegangen bin, lag das hauptsächlich daran, dass mir mein damaliger Arzt empfohlen hatte, etwas an der frischen Luft zu machen, um meinen Depressionen zu entfliehen. Er meinte, dass es mir gut tun würde, mit Menschen zu arbeiten und den ganzen Tag draußen unterwegs zu sein.

Scheinbar hatte er auch recht. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, ob es am Umgebungswechsel lag oder tatsächlich an dem Job, doch es ging mir zunehmend besser. Die Leute freuten sich, mir zu begegnen, und brachten mir Vertrauen entgegen. Es gab Trinkgeld und Anerkennung. Als Postbote in Bayern gehörte man zumindest in der ländlichen Gegend irgendwie dazu. Kein Wunder also, dass viele meiner Kollegen von der Ausbildung bis zur Rente bei der Post geblieben sind.

Die Bezahlung war nicht wirklich gut und für die teuerste Region Deutschlands nicht unbedingt ausreichend. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass ich etwas Gutes tat. Die Leute schätzten es wirklich, dass ich ihnen jeden Tag ihre Post nach Hause brachte.

Die Jahre vergingen, ich lernte immer mehr dazu und wollte irgendwann Standortleiter werden. Ich sagte meinem Vorgesetzten, dass er mir Bescheid geben solle, sobald die Stelle als Stellvertreter ausgeschrieben wird. Monate vergingen, nichts geschah, bis plötzlich die Meldung kam, dass unser Teamleiter den Job weiter alleine macht, da sich ja niemand auf die Stelle beworben hatte. Was zum Geier? Wann wurde die Stelle denn ausgeschrieben? Und warum hatte er nichts gesagt? Irgendwann wurde mir dann von älteren Kollegen gesteckt, dass er das absichtlich unter den Tisch gekehrt hatte, weil er seine Stelle in Gefahr sah.

“Wir hätten dich gerne als Teamleiter oder Vertreter gehabt, Eric, weil du noch einer der Wenigen bist, die menschlich sind und das Herz am richtigen Fleck haben.”

Wenn ich heute darüber nachdenke, war das wohl der Anfang vom Ende. Ich war enttäuscht und hatte innerlich schon gekündigt – kennt ihr das, wenn man innerlich schon abgeschlossen hat und nur noch das Notwendigste macht?

So ging es mir fortan. Nichtsdestotrotz hatte ich noch meine Kunden, viele nette Menschen, teilweise auch meine Nachbarn und andere Bekannte. Irgendwie hielt ich noch durch, dachte mir, dass es vielleicht mal wieder eine Gelegenheit gibt, mich auf den Teamleiterposten zu bewerben.

Und dann kam Corona – das leidliche Thema. Kein persönlicher Kontakt mehr, keine zwischenmenschlichen Interaktionen, all das, was mich bisher motiviert hatte, war auf einmal weg.

Die Menschen wurden immer undankbarer, alles wurde immer selbstverständlicher, Trinkgeld blieb aus. Dazu boomte der Onlinehandel, immer mehr wurde einfach bestellt, weil die Leute nicht mehr vor die Tür konnten. Die Post und das Personal waren komplett überfordert, reihenweise Kündigungen wegen struktureller Probleme.

Ich wollte damals nicht gleich aufgeben, schließlich hatte ich das bereits so oft in meinem Leben getan. Statt komplett hinzuschmeißen, reduzierte ich meine Stunden um die Hälfte.

Lustigerweise änderte sich am Lohn nicht viel und es machte letztlich nur 200-300€ aus, die ich mir über einen Nebenjob wieder dazu verdiente.

Es dauerte nicht lange, bis ich merkte, dass es nicht mehr so wie früher werden würde. Das, was ich am Anfang kennengelernt hatte, war einfach weg. Die Menschen wurden unzufriedener, undankbarer, unhöflicher. Was früher die Ausnahme war, wurde jetzt zum überwiegenden Teil. Also suchte ich mir einen anderen, aber ähnlichen Job im Logistikbereich.

Statt Post nach Hause zu bringen, lieferte ich Biokisten mit Lebensmitteln an besser gestellte Menschen, die sich das, was ich am Anfang bei der Post so schätzte, noch beibehalten hatten. Bitte, danke – ganz einfache Dinge. Ich mochte den Job.

Irgendwann fiel mir auf, dass meine Touren immer größer wurden, dass ich die schwierigsten und stressigsten Gebiete bekam und ich wunderte mich, wieso.

Ich fragte meinen Vorgesetzten: “Wie kann es sein, dass ich 90 Stopps habe und alle anderen nur 40-50?” – “Ja Eric, du weißt ja, die Guten bekommen immer mehr und bei dir wissen wir, dass du es schaffst.”

Der größte Fehler im System. Ich wurde quasi dafür bestraft, dass ich gut war. Statt zu schauen, wieso ich besser war als die anderen und wie man das am besten für das Unternehmen nutzen könnte, entschied man sich für die einfachste Methode und brummte mir noch mehr Arbeit auf bei gleichem Verdienst.

Die Geschichte mit meiner damaligen Vorgesetzten bzw. kurzzeitigen Liaison lassen wir an dieser Stelle mal außen vor. Kurzum haben viele Faktoren dazu beigetragen, dass das Arbeitsverhältnis beendet wurde.

Der nächste Job war dann schon besser. Ich landete mehr oder weniger durch Zufall in einem großen Fintech-Unternehmen, in einer Abteilung voller sarkastischer Arschlöcher, wie ich eines bin.

Ich fühlte mich wohl, weil wir alle auf derselben Wellenlänge waren. Ich merkte direkt, wieso sich alle so einen Schutzschild aufgebaut hatten. Es ist nunmal einfach so, dass man sich in der heutigen Gesellschaft hinter einer Barrikade aus Sarkasmus und Ironie verstecken muss, um nicht vollkommen von seiner Enttäuschung der Menschheit gegenüber zerfressen zu werden.

Nach einem halben Jahr hatte ich eine Selbstevaluation, quasi eine Selbsteinschätzung in verschiedenen Bereichen, die für das Unternehmen wichtig sind. Dabei sind aber auch Soft Skills und Ähnliches gefragt.

Nach dieser Einschätzung prüft das der Vorgesetzte und beurteilt anhand seiner Erfahrung.

Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses Gespräch, weil es sich in meinen Kopf gebrannt hat.

Sinngemäß hat mir mein Vorgesetzter gesagt, dass er mir in fast allen Punkten zustimmt und hat mir erklärt, wie das System funktioniert:

Die Skala der jeweiligen Unterpunkte läuft von 0% bis 130%. Hat man dann einen Durchschnitt von weniger als 60%, besteht eigentlich kein Redebedarf mehr und man muss leider getrennte Wege gehen. Bis 80% muss man sich überlegen, was man verbessern kann. Zwischen 80% und 95% ist es ganz normal und bei allem drüber besteht Gesprächsbedarf, weil der Mitarbeiter offensichtlich unterfordert ist.

Man muss dazu sagen, dass ich mich selbst im Schnitt zwischen 95% und 115% gesehen habe, wofür ich zumindest mündlich Bestätigung erhalten habe. Schriftlich sah es dann leider etwas anders aus.

“Ich musste dich etwas runterstufen, nicht weil ich es nicht so sehe wie du oder deine Arbeit nicht wertschätze, sondern weil dich andere Abteilungen sonst wegholen, wenn du zu gut dastehst.”

Ich verstand, was mir mein Chef sagen wollte. Wir waren auch ein super Team und ich möchte nicht sagen, dass es mir keinen Spaß gemacht hat, was überwiegend am Team selbst lag und nicht an der Arbeit als solcher, aber es gab mir auch zu denken.

Meine Hoffnung war, dass man sieht, wozu ich in der Lage bin und das entsprechend gewürdigt wird, auch wenn es vielleicht in einer anderen Abteilung gewesen wäre. Vielleicht besserer Verdienst, es hätte anders sein können.

Wäre die Situation mit der Post nicht gewesen oder in dem Unternehmen davor, hätte ich mich wahrscheinlich dazu entschlossen, trotzdem zu bleiben. Aber allein der Umstand, dass es bereits zwei Mal so schlecht gelaufen ist, hat dazu geführt, dass ich meinen Vertrag auslaufen ließ und die Entfristung und Gehaltserhöhung ausschlug.

Und heute? Heute wage ich einen weiteren Versuch.

Mein Gott, war das eine lange Einleitung. Ja, das war die Einleitung. Doch wie üblich rede oder schreibe ich erst viel vorneweg, um dann abschließend kurzerhand auf den Punkt zu kommen, welchen man wahrscheinlich nicht verstehen würde, wenn man den Rest nicht gelesen hätte.

Wir halten fest: Wertschätzung ist mir wichtig, wahrscheinlich mehr als alles andere. Ich weiß noch nicht, ob es daran liegt, dass ich in meiner Kindheit nicht genug bekommen habe oder am Autounfall und den damit verbundenen schlechten Erfahrungen, aber ich denke, ich bin auf einem ganz guten Weg, das herauszufinden und vielleicht auch endlich zu lernen und zu akzeptieren, dass ich gut bin, so wie ich bin. Wobei ich das eigentlich ja auch weiß, aber wir beenden das hier an dieser Stelle, zumal ich über ein ganz anderes Thema schreiben wollte. Vielleicht schreibe ich dazu morgen noch etwas.

In diesem Sinne bis zum nächsten Mal und vielleicht habt ihr ja auch ähnliche Erfahrungen gemacht, die ihr gerne in den Kommentaren teilen könnt.

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2 Kommentare

  1. Julia Schreck 24. August 2024

    Hey Eric, aus irgendeinem Grund lese ich gerade um 4:00 Uhr morgens hier deinen Artikel, nachdem ich deinen Blog vorhin auf der Suche nach Hochsensiblen-Content durch Zufall über ein Bloggerportal entdeckt habe. Liest sich wie Butter und dein Schreibstil erinnert mich auch stark an meine eigenen Tagebucheinträge – wie eben direkt aus dem Herzen geschrieben. :) Werde deinen Blog mal weiter durchstöbern. <3 Danke, dass du deine Gedanken hier teilst.

    Zu deinem Artikel:
    Es ist leider so, dass die Gesellschaft nicht so authentisch und ehrlich ist wie wir ‘Special People’ es sind. Früher dachte ich, dass andere Menschen insgeheim auch so denken und fühlen wie wir, es nur aus versch. Gründen, ggf. von außen, nicht immer zeigen. Heute weiß ich, dass viele gar nicht bemerken, was sie eigentlich mit anderen Menschen emotional anstellen und sie wollen es eigentlich auch gar nicht bemerken, da es in einem erfolgreichen Job heute auch gar nicht nötig ist, Mitgefühl zu zeigen und authentisch zu sein. Dabei lassen sie außer Acht, dass genau DAS eigentlich das ist, was uns zu Menschen macht und, was ja bei dir auch immer wieder als ‘Pluspunkt’ erwähnt wird. Und am Ende wird es dann eiskalt ausgenutzt.

    Daher sollten wir HSPs beruflich immer wieder in regelmäßigen Abständen, genau wie du, als Selbstschutz sachlich reflektieren, wo wir stehen und wie es uns dabei geht. Eigentlich traurig, dass sowas nötig ist, aber allein mit Vertrauen geht man in der Welt der Extrovertierten einfach unter.

    Und cool, dass du (auch) bei der Post gearbeitet hast. Ich hatte vor 2 Jahren auch mal ernsthaft überlegt, Briefträger zu werden im Quereinstieg, bin dann aber glücklicherweise auf mit eine der bisherige besten Stellen überhaupt für mich gestoßen: den Job im Meldeamt einer Kleinstadt. Ich liebe es! Man trifft sen ganzen Tag Menschen, die Leuten sind größtenteils dankbar für deine Arbeit, es ist einfach super abwechslungsreich und man fühlt sich sinnvoll. :)

    So, und, bevor ich nun schreibe bis die Sonne bei mir wieder aufgeht, ziehe ich hier einen Schlussstrich.

    Sommerliche Grüße und bleib so authentisch wie du bist!

    Julia aus Tauberfranken

    • Eric 24. August 2024 — Autor

      Hi, Julia erstmal danke für deine ausführliche Antwort. Kommt hier tatsächlich eher selten vor, dass sich Leute zu den Beiträgen direkt äußern.

      Aber freut mich natürlich, dass es bei dir gut ankommt.

      Gibt bestimmt noch das ein oder andere “Butterbrötchen” hier auf der Seite, wobei sich das über die Jahre natürlich entwickelt hat.

      Finds gut, dass du was gefunden hast, was dir liegt. Ich bin mir tatsächlich mal wieder nicht so schlüssig.

      Mit dem Thema “HSP” hab ich mich noch gar nicht so beschäftigt, vielleicht sollte ich das auch mal machen und lande dann nachts um Vier auf irgendeinem Blog von irgendsoeinem Typen, der seine Gedanken in die Welt trägt…

      Wenn ich mal aufs Meldeamt bei dir muss, sag ich eben hallo :)

      In diesem Sinne, gute Nacht oder ehm guten morgen?

      Eric

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