Es war eigentlich nur ein ganz normaler Tag im Homeoffice. Ich wollte kurz Mails checken, ein bisschen Ordnung schaffen, vielleicht endlich diese To-do-Liste abarbeiten, die schon wieder länger geworden war. Stattdessen bin ich bei Facebook gelandet – und aus „mal kurz durchscrollen“ wurde eine spontane Aufräumaktion. Ohne Plan, ohne Ziel. Einfach so.
Ich fing an zu klicken. Alte Schulfreunde, Ex-Kollegen, Leute von irgendwelchen Treffen, Nachbarn, Familienmitglieder, mit denen seit Jahren kein Wort mehr gefallen ist – alle noch da. Wie Karteileichen in einem digitalen Archiv, das niemand mehr pflegt. Manche Namen riefen kurz Erinnerungen wach, andere gar nichts. Und während ich so weiterklickte, merkte ich: Das meiste davon ist längst vorbei. Aber irgendwie hat man all das nie gelöscht – weil man’s eben nicht tut.
Warum wir festhalten – und was es bringt, loszulassen
Wir halten an digitalen Beziehungen fest wie an alten Jacken: nicht schön, nicht praktisch, aber „kann man ja vielleicht nochmal gebrauchen“. Nur dass sie Platz wegnehmen. Im Speicher, im Kopf, irgendwo dazwischen. Und irgendwann fragt man sich: Warum eigentlich?
Löschen ist kein Statement. Es heißt nicht, dass man jemanden hasst oder „nie wieder sehen will“. Es heißt einfach: Ich will meine digitale Umgebung so aufräumen, dass sie zu meinem jetzigen Leben passt – nicht zu dem von vor zehn Jahren.
Aufräumen in Etappen – Facebook, Instagram, Steam
Ich hab bei Facebook angefangen, dann Instagram, dann Steam. Überall das gleiche Prinzip: durchgehen, ehrlich sein, weg damit. Wen man seit Jahren nicht mehr gesehen, gesprochen oder überhaupt bemerkt hat – der fehlt einem nach dem Löschen auch nicht. Und ganz ehrlich: Wer wirklich dazugehören will, bleibt sowieso in Kontakt.
Der schönste Moment war, als diese ganzen Gesichter plötzlich weg waren. Die Timeline wurde leerer – aber mein Kopf auch. Kein unnötiges Scrollen mehr durch Leben, die längst nicht mehr meins sind. Ein bisschen wie Umziehen: Erst denkt man, man braucht alles, und am Ende merkt man, wie gut sich Minimalismus anfühlt.
Und was ist mit den Handynummern?
Da war ich entspannter. Ich hab gar nichts gelöscht. Die Nummern dürfen bleiben – als Kartei der Vergangenheit. Wer was will, kann ja anrufen oder schreiben. Und wer meine Nummer nicht hat, war wahrscheinlich nie wichtig genug, um sie zu haben.
Digitale Hygiene ist mentale Hygiene
Am Ende geht’s gar nicht ums Löschen. Es geht ums Loslassen. Darum, diese digitalen Reste von „früher“ loszuwerden, um im Jetzt anzukommen. Um Klarheit. Darum, nicht auf jede Erinnerung eine Push-Benachrichtigung zu kriegen.
Seitdem ist’s ruhiger. Weniger Reiz, weniger Gewusel, weniger „müsste mal wieder schreiben“. Ich öffne Facebook, sehe fast nichts – und das ist genau richtig so.
Digitale Hygiene ist eben auch mentale Hygiene. Und manchmal fängt das mit einem ganz simplen Klick auf „Entfernen“ an.